Alltägliches und Mörderisches


Peter Groth in Weser Kurier, Wednesday 29th November 2017, Germany.


Malerei, Fotografie, Klangkunst und mehr: Die Weserburg präsentiert ab Freitag 16 neue Künstlerräume. Die Malerei ist dabei deutlich überproportional vertreten.

Zahlreiche Maschinen setzen Macheten in kreisende, bedrohliche Bewegungen, mit einem unsichtbaren Luftgewehr werden Lampen und Leuchten zerschossen. Porträts von Mörderinnen und eine Rauminstallation, die auf die gnadenlose Wirkung des Feuers eingeht, erzeugen den Eindruck, dass Künstler sich momentan heftig und drastisch mit Gewaltphänomenen beschäftigen.

Doch diese thematische Anhäufung ist Zufall, beteuern die Kuratoren der Weserburg im Angesicht ihrer 16 neuen Künstlerräume, die ab Freitag zu sehen sind. Zum fünften Mal seit 1992 haben die Verantwortlichen des Museums für moderne Kunst nahezu eine ganze Etage ihres Hauses für Künstlerräume zur Verfügung gestellt. Direktor Peter Friese und Kurator Ingo Clauß trugen vor gut zwei Jahren an Sammler und Künstler das Angebot heran, einen Raum ihrer Wahl zu bespielen.

Mörderinnen aus Geschichte und Gegenwart

Und so haben dann unter anderem die Hollwegs und die Verantwortlichen der auf osteuropäische Kunst spezialisierten Telekom Art Collection sowie direkt angesprochene Künstler wie Sibylle Springer und Wolfgang Hainke von dieser Offerte Gebrauch gemacht.

Eine solche maßgeblich von den Künstlern und Sammlern geprägte Schau hat kein übergreifendes Thema, bietet jedoch einen Überblick zur aktuellen künstlerischen Produktion in den Sparten Malerei, Zeichnung, Skulptur, Fotografie, Video, medienübergreifende Installation und Klangkunst. 

Die Malerei ist dabei deutlich überproportional vertreten. Die in Bremen und Berlin lebende Sibylle Springer, die gerade erst eine fabelhafte Einzelausstellung in der GAK hatte, zeigt 16 kleinformatige, mit metallisch pigmentierten Farben gemalte Porträts von Mörderinnen aus Geschichte und Gegenwart, deren zarten Gesichtern man die Schandtaten natürlich nicht ansieht.

Fotografie ist mit drei Positionen vertreten

Karin Kneffel lieferte drei großformatige Arbeiten, die Vorhänge, einen zweigeteilten Fußboden mit menschlichen Schatten sowie einen durch eine nasse Glasscheibe sichtbaren Museums-Raum zeigen. Großformatig sind auch die floral-ornamentalen Bildnisse des US-Amerikaners Philip Taaffe, als Hybrid zwischen Plastik und Malerei wirken dagegen die ins Dreidimensionale gehenden Arbeiten von Ulrich Eiben.

Eine Herausforderung an die Augen stellen schließlich die sieben Farbflächen-Bilder des Düsseldorfer „Altmeisters“ Ulrich Erben dar – wie er die erst nach längerem Hinsehen sichtbaren Übergänge von einem zum anderen Farbton herstellt, ist von allergrößtem Reiz. Die Fotografie ist mit drei Positionen vertreten.

Von Turner-Preisträgerin Rachel Whiteread lieferte die Hollweg-Sammlung 26 Bilder von Papierkörben, Ornamenten, Interieurs und Bauruinen; Wolfgang Tillmanns zeigt in einer von ihm vorgegebenen Hängung 14 Fotografien seines Alltags in den Jahren 1989 bis 1999.

Katja Aufleger ist einzige Videokünstlerin

Spektakulär sind die Fotografien der Polin Aneta Grzeszykowska, die sich und ihr Kind, Freunde und Familienangehörige als Motiv wählte. Sie zeigt die Fotos im Negativ, trägt bei den Selbstbildnissen aber eine blonde Perücke und schwarze Farbe auf der Haut.

Die Folge: Auf ihren Bildern erscheint sie selbst im Gegensatz zu allen anderen „negativen“ Personen immer mit dunklen Haaren und heller Haut  – eine sehenswerte Serie von 85 Fotos aus der Telekom-Sammlung. Als einzige Videokünstlerin hat die Berlinerin Katja Aufleger einen Künstlerraum erhalten – sie zeigt dort in ruhigen Einstellungen diverse Lampen, Glühbirnen und Leuchtröhren, die zuerst strahlen und dann mit einer Luftgewehrkugel zerstört werden.

Turner-Preisträgerin Susan Philipsz ist in der Schau mit einem Klangraum vertreten – aus vier Lautsprechern erklingen sphärische, beim Reiben von Glasrändern erzeugte Töne. Neben weiteren von Haegue Yang, Marlena Kudlicka und Abraham David Christian bespielten Kabinetten fallen drei Rauminstallationen besonders auf.

Mit Maschinen gefüllter Raum

Von Igor Grubic sind Ausschnitte seiner 366 Tage dauernden Performance in Zagreb dokumentiert, in der er sich 2008 mit subtilen hochpolitischen Störungen in den Alltag seiner Heimatstadt einbrachte. Der Belgier Danny Devos füllt einen Raum mit Maschinen, die lange Messer rotieren lassen und jede für sich einen Hinweis auf „The Family“, die Hippie-Sekte des gerade verstorbenen Massenmörders Charles Manson, liefert.

Aus elf verschiedenen Elementen konstruiert der Bremer Wolfgang Hainke seine Arbeit „Fire has no mercy – Do you?“, die rund um eine von ihm am 11. September 2001 in New York nach dem Terrorangriff fotografierte Straßenszene reale und vermeintliche Bedrohungszenarien thematisiert. Wie immer komponiert Hainke dabei aus scheinbar nicht in Beziehung zueinanderstehenden Objekten ein die Gedanken anregendes Szenario.


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